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FEUER NICHT ROT
Janina Kempkens
Wir standen in der Menge
Wir rannten
Mit offenen Mündern
Auf den Steinbruch zu
Hunderte warteten mit uns
Dass wir abgeholt werden
Wir wussten nicht von wem
Sie hatten uns abgelenkt mit Stimmen
Mit Stimmen aus Metall
Und buntem Licht
Sie schrien uns Sätze entgegen
Sätze ohne Bedeutung, die nur unser Unterbewusstsein verstand
Wir starrten
Erst zu ihnen dann zu uns
Beinahe hätten wir vergessen
Wer wir sind
Wir waren dabei
Zu vergessen
Warum wir hier waren
Hatten wir bereits vergessen
Es war ein Getümmel
Ein Zirkus, ein Jahrmarkt aus leeren Gesichtern
Und niemand redete mit uns
Wir schauten uns an, waren ratlos
Sie saßen auf den heißen Steinen
Im Geschrei
Wartend
Dass sie jemand abhole
Die Seelen, die Gesichter, die schreienden Münder
Ich hatte mich dabei
In einer kleinen Kiste
In einer Schachtel aus Metall
Hatte ich mich dabei
Ich wusste es beinahe nicht mehr
Als das Licht losch „Es war nicht immer so, aber die Zeiten ändern sich“
Männer in Uniformen stürmten uns
Sie gingen schnellen Schrittes
Fragten an den Jahrmarktständen
Nach uns
Ohne uns anzusehen
Sie schrie wie Wale im Meer
Sie schrie verunsichert wie ein Vogel alleine im Nest
Schrie sie um sich
Sie gingen umher
Plumssack Plumssack
Wer sich umdreht oder lacht, kriegt den Buckel vollgemacht.
Wir hielten sie fest
Und weinten mit ihr
Wie schrien sie an
Schrien sie an leise zu sein
Die Männer in Uniformen schlangen sich näher um uns
Große Raubtiere auf der Suche
Nach Beute
Und wir ihr Stück
Bitte schrei nicht
Schrien wir sie an
Flehten wir sie an
Bitte schrei nicht
Wir waren nackt alle
Und die Männer in Uniformen angezogen
Um uns kreisend wie Haie um Blut
Der Berg lachte rot
Es blitze rosa
Sie rochen uns
Sie rochen das Blut an unseren Füßen
Die Adern in unseren Augen platzend
Und wir umarmten uns
Und flehten sie an nicht mehr zu schreien
Es war ein Haus aus Stein
Und das Mondlicht glühte rot hinter den Gardinen
Sie tropfte aus allen Löchern
Sie ließ uns nicht los
Ich hatte mich vergessen
Vergessen wer ich gewesen war
Feuer nicht rot
Eher wie Berggipfel im Licht am Abend
Er sagt wir hätten keine Idee
Hier raus zu kommen
Aber in uns brannte eine ganze Welt
Wie das innere der Erde
Wie Pickel auf meiner Haut ausbrechen Vulkane mit Blut gefüllt
In der falschen Welt geboren
Richtig kannst du mich auch nicht machen
Die Angst zerfließt
Die Fingerkuppen verbrennen auf meiner Haut
Deine Tränen verdampfen
Ein Ball aus Feuer
Meine Federn kleben zusammen unter der schwülen Luft
Der Atmosphäre
Wir versuchten Sie auseinander zu reißen
Kiele trennend doch das Feuer erstickt
Kann nicht atmen mehr unter der Glocke
Die sich Welt nennt
Lasst mich fliegen
Schrie sie
Und schreien
Und lachen
Und unendlich weinen bis ein Meer aus Flammen alles flüssig
schafft
Und versteinernd neue Wege betoniert
Es schrie aus meiner Kiste
Ich war es die schrie
Lasst mich weinen in rot und gleißend und schmerzhaft
Die Federn jetzt unter Teer begraben
Künstlich verklebt, bespuckt, beschmutzt, verschmutzt
Unsere eigene Schuld
Zu lange versucht uns die Wunden zu lecken
sauber zu schlecken
Wie eine Katze
Und nichts hilft
Es war eine Lagerhalle und es war nachts
Irgendwo brannte es in einer Feuertrommel
Die Wände schief, die Halle endlos
Mir war heiß plötzlich
Alle Gestalten waren auf dem Weg
Auf dem Weg zu einem Punkt
Außerhalb meines Denkens
Ich flehte sie an
Wo geht ihr hin
Und sah uns nicht mehr
Ich hatte vergessen wer wir waren
Ich hatte vergessen wer ich war
Ich sprach sie an
An mir vorbei gehende Gestalten
Schatten mehr als Menschen
Konnte ihre Gesichter nicht erkennen
Aber sie kamen mir bekannt vor
Sie gingen
Sie rannten
Niemand
Wollte mir meine Fragen beantworten
Es war
Als würden sie mich nicht hören
Als würde ich in einer Frequenz sprechen, die niemand hörte
Es war
Als wäre ich unsichtbar
Ich ging in die selbe Richtung
Mir war heiß
In der Nähe war ein Fluss
Aus Bergen
Mit kühlen Fluten
So kalt dass die Finger mit Nadeln gestochen
Es dampfte
Als mein Zeh das Wasser berührte
Es dampfte
Als unsere Körper im Fluss eintauchten
Wir hatten vergessen
Warum wir dort waren
Erstarrten zu Stein
Wie glühende Messer in kaltes Wasser getaucht
Wenn sie fertig geformt sind
Aber wir waren doch noch nicht fertig
Wie wollten flüssig bleiben
Glühend und flüssig
Für immer
Aber war uns so heiß gewesen wir hatten es vergessen
Hatten uns verbrannt an uns selbst
Verbrannt in der beißenden Kälte
Die uns um die Wangen geschlagen hatte
Sie waren alle so kalt gewesen
Wir hatten es mit Hitze verwechselt
Hatten gedacht wir seien gleich
Dabei waren sie kalt
So kalt dass es stach
Und wir waren doch brennend gewesen
Und hatten uns verwechselt
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